17.09.2023 - "Gottes Welt für uns" - Predigt am 15. Sonntag nach Trinitatis zu 1.Mose, 2,4bff (Pfarrer Stefan Fischer)

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater und dem Herrn Jesus Christus.

Liebe Gemeinde,
es gibt verschiedene Möglichkeiten die Welt und das menschliche Leben zu beschreiben.
Die einen sagen: Das Leben ist ein Kampf, der Stärkere wird gewinnen und der Schwächere untergehen.
Diese Ansicht kommt aus dem 19. Jahrhundert und ist meiner Ansicht nach eine fragwürdige Interpretation der Evolutionstheorie Charles Darwins, der gesagt hat, dass in der Natur diejenige Art am meisten Überlebenschancen hat, die sich am besten an ihre Umwelt anpassen kann.

Andere beschreiben wir die Welt und das Leben als ein ökologisches System.
Das Leben der Menschen und der Tiere steht in Wechselwirkung mit dem Boden dem Wasser den Pflanzen, dem Klima.
Alles beeinflusst sich gegenseitig.
Wenn in das System wenig eingegriffen wird, stellt sich mit der Zeit ein Gleichgewicht ein.
Das ökologische Gleichgewicht kann ganz leicht gestört, werden, wie die derzeitigen Klimaveränderungen zeigen.

Das Leben ist ein Kampf, und das Leben ist Teil des ökologischen Gleichgewichts auf der Erde -
das sind zwei sehr unterschiedliche Betrachtungsweisen.
Eine ältere 3000 Jahre alte Beschreibung der Welt findet sich in der Bibel im 1.Buch Mose im 2. Kapitel:

(4b) Es war zu der Zeit, da Gott der HERR Erde und Himmel machte.
(5) Und alle die Sträucher auf dem Felde waren noch nicht auf Erden, und all das Kraut auf dem Felde war noch nicht gewachsen; denn Gott der HERR hatte noch nicht regnen lassen auf Erden, und kein Mensch war da, der das Land bebaute;
(6) aber ein Nebel stieg auf von der Erde und feuchtete alles Land.
(7) Da machte Gott der HERR den Menschen aus Erde vom Acker und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase.
(8) Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen.
(9) Und Gott der HERR ließ aufwachsen aus der Erde allerlei Bäume, verlockend auszusehen und gut zu essen, und den Baum des Lebens mitten im Garten und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen.
(10) Und es ging aus von Eden ein Strom, den Garten zu bewässern, und teilte sich von da in vier Hauptarme.
(11) Der erste heißt Pischon, der fließt um das ganze Land Hawila, und dort findet man Gold;
(12) und das Gold des Landes ist kostbar.
Auch findet man da Bedolachharz und den Edelstein Schoham.
(13) Der zweite Strom heißt Gihon, der fließt um das ganze Land Kusch.
(14) Der dritte Strom heißt Tigris, der fließt östlich von Assyrien.
Der vierte Strom ist der Euphrat.
(15) Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte.

Liebe Gemeinde,
unser Text entwirft ein eigenes Weltbild:
Die Welt ist von Gott geschaffen worden.
Und sie ist ein Garten.
In diesem Garten gibt es alles, was die Menschen und die Tiere zum Leben brauchen.
Die Welt ist ein Garten, kein Schlaraffenland.
Die gebratenen Tauben fliegen einem nicht einfach ins Maul; man muss dafür arbeiten.
Der Garten braucht Pflege.
Er muss bebaut und bewahrt werden.
Das ist Arbeit; aber es ist sinnvolle Arbeit.
Vier Flüsse sorgen dafür, dass genug Wasser da ist und die Pflanzen wachsen können.
Es ist auch nicht nur ein Fluss, der von einem Volk oder einem Herrschen kontrolliert werden könnte wie der Nil in Ägypten; es sind vier Flüsse.
In allen Himmelsrichtungen ist Wasser genug für alle, die das Land bewohnen wollen.
Das fruchtbare Zweistromland hatte zwei Flüsse.
Ein Land mit vier Flüssen das ist der Inbegriff der Fruchtbarkeit.
Die Menschen in diesem Garten sind Erdwesen.
Sie gehören zu der Erde, aus der sie geschaffen wurden.
Sie sind Teil der Schöpfung und Teil des Gartens.
Aus Erde sind sie gemacht und zu Erde werden sie eines Tages zurückkehren.
Die Erde bebauen sie, von der Erde leben sie.
Die Erde zu bewahren ist ihre Aufgabe.
Gott hat gut für seine Wesen gesorgt.
Alles was sie brauchen finden sie in dem Garten vor.
Der Garten ist ein Raum, in dem sich gut leben lässt.
Aber sie sind nicht nur Erde.
Ihr Lebensatem kommt von Gott.
Gott hat ihnen seinen Atem eingehaucht.
Ihr Atem, ihre Seele ist etwas Göttliches.
Ihr Lebenshauch verbindet sie mit dem Schöpfer.
Sie sind nicht einfach nur Teil der Erde.
In ihnen wirkt auch der göttliche Geist.
Und auch dieser Geist ist an den menschlichen Aufgaben beteiligt.

Diese Geschichte von der Entstehung des menschlichen Lebens ist nicht nur einfach eine alte Geschichte.
Es ist ein eigenes Weltbild, eine Möglichkeit die Welt und unser Leben zu verstehen.
Dieses Weltbild beruht nicht auf neuen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen.
Es beruht auf den alten Erfahrungen einer bäuerlichen Welt im Vorderen Orient.
Aber es ist trotzdem ein gutes Bild, das uns auch heute noch helfen kann unser Leben in seiner Tiefe zu verstehen.

Wenn wir dieses alte Bild in unseren Herzen bewegen, dann verstehen wir, dass wir heute immer noch aus Erde gemacht sind.
Unsere Verbindung zur Erde erhält uns am Leben.
Wir brauchen Nahrung für eine sich immer rascher vermehrende Menschheit und müssen mehr denn je auf den Boden und das Wasser achten, dass wir unsere Lebensgrundlagen erhalten.
Wir sind aus Erde und wir kehren zur Erde zurück.
Unser Leben ist begrenzt.
Und wir müssen diese Grenzen achten.
Wir dürfen nicht so tun als könnten wir alles erreichen, als dürften wir für unser eigenes Wohl alles benutzen und bräuchten nichts mehr für die nächste Generation übrig zu lassen.
Und nach wie vor fallen uns die Dinge nicht einfach in den Schoß.
Nach wie vor müssen wir arbeiten, um unser Leben zu erhalten.
Dass es sinnvoll ist zu arbeiten und nicht den Lebenssinn im Vergnügen zu suchen, das ist ein wichtiger Teil dieses alten Weltbildes und er stimmt immer noch.

Aber es gibt noch etwas über die Arbeit und das Vergnügen hinaus:
In uns atmet der göttliche Lebenshauch.
Wir sind nicht von einem blinden Schicksal in eine feindliche Welt geworfen worden.
Sondern Gott hat uns seinen Lebensatem eingehaucht und uns in einen Garten gesetzt.
Wir sehen die Welt und die Natur um uns herum an und wir sehen ihre Schönheit.
Wir stehen unter einem Baum und blicken hinauf in sein Geäst, und bewundern das Spiel des Lichts in seinen Blättern.
Im Garten ernten wir die Früchte und das Gemüse.
Der Kirschbaum, auf dem ich herumgekraxelt bin, vor Augen die leckeren kleinen süßen Kirschen, gehört zu meinen Kindheitserinnerungen.
Der Duft von Apfel- oder Pflaumenkuchen der gerade im Herd bäckt.

Es erfüllt mich mit Dankbarkeit, dass der Garten, in den Gott uns gesetzt hat, nicht nur genug hervorbringt, um uns am Leben zu halten, sondern auch so schöne, farbenfrohe und wohlschmeckende Früchte aus denen man so wundervolle verschiedene Gerichte kochen kann.
Gott hat uns diesen Körper geschenkt, mit dem wir die Schönheit der Welt sehen können, den Gesang der Vögel hören können und die Früchte der Erde schmecken können.
Gott sorgt gut für seine Geschöpfe.
Gott sorgt nicht nur für unser Überleben.
Gott hat die Schönheit unserer Welt geschaffen, und uns im Überfluss Dinge geschenkt an deren Schönheit wir uns freuen können.
Mit diesem Lebensgefühl auf die Welt und die Menschen zu blicken ist - egal wie das wissenschaftliche Weltbild gerade aussieht - extrem sinnvoll und Glück verheißend.

Und wenn es uns gelänge unsere Kinder diesen Blick auf die Welt zu lehren, dann wäre ihr Leben um vieles entspannter.
Manchmal habe ich den Eindruck, dass viele Eltern, ihren Kindern unbewusst das alte Weltbild des Kampfes vermitteln.
Sie trimmen sie auf Leistung, Selbstbewusstsein und Durchsetzungsvermögen.
In diesem Lebenskampf könne der der stärkere gewinnen.
Und dann kämpfen die Kinder in der Schule, im Bus, später im Berufsleben, und verletzen sich gegenseitig an Leib und Seele.
Auf die Schönheit der Welt zu blicken – sie als Geschenk Gottes an uns zu entdecken.
Dabei die Möglichkeiten zu entdecken, wenn man nicht alleine, sondern miteinander auf dem Lebensweg ist – das ist ein anderer, ein viel gnädigerer Lehrmeister.

Aber nicht nur unsere Kinder, wir alle haben ab und zu einen Perspektivenwechsel nötig.
Versuchen wir wieder einmal, die Welt mit den Augen der Menschen, die unseren Predigttext erzählt haben, zu sehen.
Gott lässt unser Herz aufgehen und wir erfahren, Freude, Dankbarkeit und Gelassenheit:
Warum immer kämpfen? Es ist doch alles da.
Warum immer nur auf das sehen, was wir nicht haben.
Gönnen können und mit denen teilen, die weniger haben. Darin liegen der größere Gewinn und das weniger Sorgen.

Blicken wir doch einmal auf das was wir haben und freuen uns daran, und sind dafür dankbar.
Denn Gott hat uns das Leben gegeben und uns in einen Garten gesetzt und uns das Leben eingehaucht.
Lasst uns daran freuen und fröhlich sein!

Amen.

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.