12.02.2023 - "Wie man Gott findet" - Predigt am Sonttag Sexagesimä zu Jesaja 55,6-12a (Pfr. Fischer)

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

 

Predigttext aus Jesaja 55, 6-12a:

6Suchet den Herrn, solange er zu finden ist; ruft ihn an, solange er nahe ist.
7Der Gottlose lasse von seinem Wege und der Übeltäter von seinen Gedanken und bekehre sich zum Herrn, so wird er sich seiner erbarmen, und zu unserm Gott, denn bei ihm ist viel Vergebung.
8Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der Herr, 9sondern so viel der Himmel höher ist als die Erde, so sind auch meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken.
10Denn gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt und nicht wieder dahin zurückkehrt, sondern feuchtet die Erde und macht sie fruchtbar und lässt wachsen, dass sie gibt Samen zu säen und Brot zu essen,
11so soll das Wort, das aus meinem Munde geht, auch sein: Es wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen, sondern wird tun, was mir gefällt, und ihm wird gelingen, wozu ich es sende.
12Denn ihr sollt in Freuden ausziehen und im Frieden geleitet werden.

Liebe Gemeinde,
beim Stöbern im Internet ist mir eine Postkarte aufgefallen:
Wie man Gott findet, „Wie man Gott findet“, steht darauf, und dazu einige Vorschläge wie oder wo man das tun könnte – Gott finden: Schau einer Möhre beim Wachsen zu - hebe Müll auf - schau in den Spiegel - mach Mathe - liebe, auch wenn niemand da ist – spiele!

Und noch einiges mehr.

Wie man Gott findet.

Ich brauche diese Erinnerung, wie ich Gott finden kann, damit ich mich überhaupt auf die Suche mache.

In meinem Alltag, im Kleinen wie im Großen, manchmal ganz nebenbei.
Ich brauche diese Erinnerung, nach Gott Ausschau zu halten.

Denn Gott steht bei mir nicht zuhause im Bücherregal und wartet darauf, bis ich Gott wie ein Buch aus dem Regal ziehe.

Einerseits erscheint mir das sehr praktisch und bequem, wenn Gott einfach im Bücherregal auf mich warten würde.

Andererseits – wenn ich ehrlich bin, hätte ich wahrscheinlich schon längst vergessen, dass Gott da überhaupt steht und auf mich wartet.
Mit Büchern geht mir das ja auch so.
Manchmal sogar mit den guten.

Wie man Gott findet

Einige Israeliten im Exil in Babylon vor über 2500 Jahren brauchten die Erinnerung ebenfalls.

„Sucht den Herrn, jetzt ist er zu finden! Ruft ihm zu, jetzt er nahe!“, ruft der Prophet Jesaja deswegen seinen Mitmenschen zu, von denen manche aufgehört hatten, Gott zu suchen, geschweige denn auf ihn zu hoffen.

Resigniert und hoffnungslos, weil sie kein Zurück in die Heimat mehr erwarteten und von ihrem Gott vielleicht enttäuscht waren die einen.
Andere hatte sich in Babylon gut eingerichtet und Gott vergessen.

Und Jesaja ruft: „Los jetzt! Gott ist nahe, er lässt sich finden. Sucht ihn.
Es lohnt sich! Am Ende wartet Gott auf Euch!“

Gott will gesucht – und gefunden werden von seinen Menschen.

Manchmal kommt es mir so vor, als mache Gott eine Schnitzeljagd mit uns.

Legt Spuren und Hinweise, fordert heraus und lockt, immer weiter und weiter, damit wir in Bewegung kommen, genau hinschauen – auf unsere Mitmenschen, in die Welt und manchmal in den Spiegel.

Gott lockt mich immer weiter und weiter, damit ich mein Zimmer, meine Wohnung und das Bücherregal, auch meine gewohnten Ansichten und Pläne, meine Ideen von Gott und der Welt bisweilen hinter mir lasse.
Gott suchen.
Und finden, denn das ist Gottes Ziel – gefunden zu werden.
Deswegen beginnt die Gottessuche mit einer Verheißung, die seit Jesaja in der Welt hallt: „Sucht den Herrn, jetzt ist er zu finden! Ruft ihm zu, jetzt er nahe!“

Die Gottessuche, die Schnitzeljagd mit Gott folgt allerdings noch einer anderen eigenen Regel:
Gott lässt sich suchen und finden, aber nicht einfangen.

Gott lässt sich nicht festsetzen und aufteilen wie der Schatz am Ende der Schnitzeljagd.

Selbst wenn ich sicher bin, dass ich Gott erwischt und gefunden habe,
selbst wenn ich sicher bin, dass Gott in meinem Leben ist,
lässt Gott sich nicht bei mir zuhause ins Bücherregal stellen.

Auch in Kirchen lässt Gott sich nicht sperren.

Das Suchen und Finden und wieder Suchen und noch einmal Finden – das hört nicht auf mit Gott.
Die Schnitzeljagd endet nie.

„Meine Pläne sind anders als eure Pläne und meine Wege anders als eure Wege“,

erinnert Jesaja alle daran, die meinen Gott zu haben.

Der Satz wird manchmal als Trost gesagt, wenn einem die Sinnlosigkeiten der Welt mit voller Wucht ins Gesicht schlägt, und er wird so zur bloßen Vertröstung.
Als ob die Sinnlosigkeit mehr Sinn macht mit Gott.
Gott bewahre!
Und ich frage mich: Wozu das Suchen und Finden, wenn Gott bloß als Sinngebung in der Sinnlosigkeit herangezogen wird.
Welcher Unfall, welche Naturkatastrophe, welche Krankheit, welcher Krieg macht schon Sinn?

„Meine Pläne sind anders als eure Pläne und meine Wege anders als eure Wege.“

Trotzdem macht mir genau dieser Satz Hoffnung bei der Schnitzeljagd nach Gott.

Denn stellen wir uns das einmal andersrum vor:

Eure Pläne sind meine Pläne und Eure Wege sind meine Wege.

Ich bin mir sicher, dass die meisten hier grundsätzlich gute Pläne und Wege haben, vielleicht sogar alle.
Und Gott bleibt trotzdem entzogen.
Gott sei Dank!

Denn wenn wir ehrlich sind: Wie oft gehen unsere Pläne am Ende doch nicht auf.

Wie zerstörerisch entpuppen sich viele unserer alten Wege für die Schöpfung.

Wie verletzend und brutal sind die Pläne von manchen.

Gottes Pläne und Wege sind andere: Das ist für mich kein Trost, sondern notwendiger Hoffnungsanker:
Spielräume eröffnen sich und neue Möglichkeiten werden sichtbar, wo ich im Dunkeln tappe.

Neuanfängen entstehen, wo ich längst am Ende bin.
Vergebung wird Wirklichkeit und die Enge öffnet sich zur Weite.
Merkwürdige und ungeahnte Wege tun sich auf:
Der wichtigste Weg Gottes mit uns hat in der Krippe begonnen und am Kreuz geendet.

„Meine Pläne sind anders als eure Pläne und meine Wege anders als eure Wege.“

Gott legt Fährten und Spuren, lässt sich finden und entzieht sich wieder, stellt mir Wegbegleiter an die Seite und lockt mich, zieht mich – immer weiter ins Leben und in die Welt hinein.
Und zu sich hin.

Zugegeben, das ist nicht bequem, bisweilen ärgerlich, und manchmal brauche ich davon auch eine Pause.
Aber ich glaube es ist das, was es heißt Gott zu suchen und ins Leben zu lassen: in Bewegung sein, hinschauen, entdecken, sich überraschen lassen.
Von neuen Möglichkeiten, Begegnungen und Spielräumen – von Gott.

Wie man Gott findet.

Nur wie? Und wo anfangen, wenn Gott sich dann doch immer wieder entzieht?

Was für Fährten und Spuren legt Gott denn?

Jesaja erzählt davon, wie Gott die Distanz überwindet, wie Gott da ist und sich finden lässt immer wieder aufs Neue.

Wie Gott durch sein Wort wirkt – so wie unsere Worte auch wirken.

Sichtbar, spürbar.

„Regen oder Schnee fällt vom Himmel und kehrt nicht dahin zurück, ohne die Erde zu befeuchten.
So lässt er die Pflanzen keimen und wachsen.
Er versorgt den Sämann mit Samen und die Menschen mit Brot.
So ist es auch mit dem Wort, das von mir ausgeht:
Es kehrt nicht wirkungslos zu mir zurück, sondern bewirkt, was ich will.
Was ich ihm aufgetragen habe, gelingt ihm.“

Gott lässt sich an seiner Wirkung erkennen.

Denn Gottes Wort verändert.

Wird für manche zum Trost am Grab – in dieser aberwitzigen Hoffnung, dass da am Grab nicht das Ende ist, sondern ein Neuanfang.

Menschen, Vereine und Gemeinden öffnen ihre Häuser und Wohnzimmer, um Kaffee und Zeit, Energie und Wärme zu teilen.
Weil sie wissen, wie viele das jetzt brauchen: Wärme und auch Gemeinschaft.

Jugendliche, Kinder (auch Erwachsene) organisieren in ihren Schulen Hilfe für die Ukraine.
Menschen spenden Geld,
sammeln Sachspenden für die Erdbebenopfer in der Türkei und in Syrien, packen Pakete mit Nudeln, Konserven und Kaffee und sorgen dafür, dass alles auf LKWs verladen wird.

Für mich sind das Wirkungen von Gottes Wort.

Oft kann ich es nur ahnen und glauben.

Beweisen oder erklären kann ich es nie.

Die Wirkung kann ich nur geschehen lassen.

Spüren und erfahren, mich davon anziehen, locken und überraschen lassen.

Immer wieder.

Gott zieht seine Menschen durchs Leben, legt Fährten und Spuren, überrascht und fordert heraus, lässt uns suchen und sich finden.
Das hört nicht auf.

Und manchmal hinterlassen wir auf unserer Suche selbst Spuren von Gottes Wort.
Oft, ohne dass wir es bemerken.

Wie man Gott findet

Mit einer Verheißung fängt die Schnitzeljagd an, die dich auf Gottes Spuren durchs Leben bringt.
Und wenn Du das vergisst oder einmal nicht mehr weißt, wo Du anfangen sollst, zu suchen, dann schau doch den Möhren beim Wachsen zu und lass dich von der Schöpfungskraft überraschen.
Mach Mathe und staune über die Ordnung der Dinge.
Liebe, selbst wenn niemand da ist.
Oder schau mal wieder in den Spiegel.
Gott wird sich schon finden lassen.
Gott hat es versprochen. Amen.

 

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.