30.10.2022 - "In der Ruhe liegt die Kraft" - Predigt am 20. Sonntag nach Trinitatis zu Mk 2,23-28 (Pfr. Fischer)

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Liebe Gemeinde,

wenn der Wecker später oder überhaupt nicht klingelt;
wenn der Tag nicht wie sonst mit der üblichen Geschäftigkeit und Routine abläuft;
wenn ich die Fenster öffne, und ich höre – fast nichts;
wenn ab halb neun halbstündlich die Kirchturmglocken läuten;
wenn es was ganz Leckeres zu Mittag gibt.
wenn am Nachmittag mal Zeit ist, etwas Besonders zu unternehmen;
dann, ja dann, ist Sonntag.

Heute ist Sonntag, der Tag des Herrn.

„Gott ruhte am siebenten Tag von allen seinen Werken, die er gemacht hatte.“
So steht's in der Bibel, in der Schöpfungsgeschichte.
Und weil Gott an diesem Tag nicht gearbeitet hat, haben auch wir heute frei, können ausschlafen oder zur Kirche gehen.

 

Mich freut es, dass sich Gott gleich am Anfang eine Pause gegönnt hat.

Dieser Feiertag ist deshalb auch ein besonderes Geschenk.
Seitdem liegt ein besonderer Segen auf diesem Tag.
Der Sonntag ist Gottes Geschenk an uns Menschen.

 

Trotzdem ist er seit einigen Jahren ins Gerede gekommen.
Wir könnten uns die Ruhe nicht mehr leisten, wird uns gesagt.
Es ginge nicht, dass die Arbeit am Sonntag ruhe, die Bänder stillstünden.
Außerdem seien wir eine moderne Dienstleistungsgesellschaft und dazu gehöre es, dass wir am Sonntag einkaufen könnten.

Und schließlich ginge es ja gar nicht um Einkaufen an sich, sondern um Erlebnis-Shopping, Einkaufen als Freizeitangebot, als Sonntagserlebnis, als Glücksbringer.

 

„Open 24 hours a day, seven days a week“, kurz 24/7, so steht es oft an amerikanischen Geschäften.

Also rund um die Uhr kann und soll man dort einkaufen.

Und auch in unseren Städten wird der Versuch gemacht, die Ladenschlussgesetze weiter und weiter auszuhöhlen.

Ich erinnere an die Diskussion um die geschäftsoffenen Sonntage in Hof, über die sicherlich noch nicht das letzte Wort gesprochen ist.

Warum reichen 6 Tage in der Woche nicht?
Warum brauchen wir auch noch den Sonntag?

 

Als Predigtabschnitt hören wir heute eine Geschichte von Jesus, in der es um genau dieses Thema geht - aus Markus im 2. Kapitel,23-28:

23 Es begab sich, dass Jesus am Sabbat durch ein Kornfeld ging, und seine Jünger fingen an, während sie gingen, Ähren auszuraufen.
24 Und die Pharisäer sprachen zu ihm: Sieh doch! Warum tun deine Jünger am Sabbat, was nicht erlaubt ist?
25 Und er sprach zu ihnen: Habt ihr nie gelesen, was David tat, als er in Not war und ihn hungerte, ihn und die bei ihm waren:
26 wie er in das Haus Gottes zur Zeit Abjatars, des Hohenpriesters, und aß die Schaubrote, die niemand essen darf als die Priester, und gab sie auch denen, die bei ihm waren?
27 Und er sprach zu ihnen: Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen.
28 So ist der Menschensohn ein Herr auch über den Sabbat.

 

Liebe Gemeinde,
Jesus verletzt gleich mehrfach das Gebot der Feiertagsruhe.

Das Sabbatgebot wurde sehr streng ausgelegt.

Die Gesetzeshüter, in unserem Predigtabschnitt sind das die Pharisäer, achteten streng auf die Einhaltung.

Der Sabbat, der Feiertag Gottes, ist heilig.
Er ist und bleibt ein Geschenk Gottes an uns Menschen.

Das sollen wir respektieren.

So weit, so gut; auch heute gilt das noch.

Das Problem liegt in der Umsetzung.

Die Pharisäer wollten diesen Tag der Ruhe hüten, wollten einen Zaun darum machen wie um einen schönen Garten, den man vor Lausbuben schützen muss, damit sie nicht die Äpfel stibitzen.

Im Laufe der Jahre kamen immer mehr Regeln hinzu, die genau festlegten, was zu tun oder zu lassen ist.

Zum Beispiel durfte man am Sabbat nur eine bestimmte Anzahl Schritte gehen, nichts arbeiten, auch keine Hausarbeit verrichten und so weiter.

 

Und nun geht Jesus spazieren – die erste Übertretung, im wahrsten Sinne des Wortes.

Und seine Jünger tun dann noch etwas, was die Gesetzeshüter erst so richtig auf die Palme bringt:

Die Jünger rupfen Getreidehalme aus, streifen die Körner heraus und essen sie.

Das ist Ernte und damit Arbeit.

 

Es beginnt eine Diskussion um die Heiligung des Feiertags.

Beide Seiten, Jesus und die Pharisäer, wollen, dass der Feiertag geschützt bleibt.

Warum tut Jesus das? Er weiß doch, dass sich das nicht gehört.
Warum provoziert er die Pharisäer und bringt sie gegen sich auf.

So weit, dass sie ihn dann schließlich umbringen lassen?

 

Jesus meint es ernst.

Er will das Dritte Gebot, das Geschenk des Feiertags, nicht übertreten.
Jesus hat sich sehr genau an die Gebote gehalten.

Ihn stört, was die Menschen aus Gottes Geschenk gemacht haben.

Sie haben den Feiertag eingezäunt, haben ein Gefängnis daraus gemacht.

Jesus meint, der tiefere Sinn des Dritten Gebots sei nicht schon damit erfüllt, dass man am Sabbat einfach nicht arbeitet.
Gott ist nicht ein „Du-darfst-nicht-Gott“; er ist kein „Es-ist-alles-verboten-was-Spaß-macht -Gott“.

Gott sorgt sich um unser Leben; und dazu gehört auch Lebensfreude.

Gottes Gebote wollen unseren Lebensraum schützen; damit wir Freiheit haben, das Richtige zu tun – freiwillig zu tun!

Jesus erinnert die Pharisäer daran, dass sich schon der große König David nicht an die menschlichen Regeln gehalten hat.

Ziviler Ungehorsam im Sinne Gottes!

David hat die Schaubrote im Tempel der einzig richtigen Verwendung zugeführt;
Er hat sie seinen hungrigen Freunden zu essen gegeben.

 

Zurück zum Sonntag.

Jesus will uns den Sonntag neu schenken.

Der Sonntag ist ein Tag für uns und für Gott.

Das ist der Rahmen.

Welches Bild ich jetzt da hineinmale,
wie ich mir meinen Sonntag vorstelle,
das muss ich selbst entscheiden.

Gott gibt mir den geschützten Rahmen vor.

Wir sollen prüfen, wie wichtig uns dieses Geschenk ist.
Und wie wichtig uns Gott ist, der uns den Sonntag schenkt.

 

Ich bin mir sicher, dass der Zwang, sonntags einkaufen zu müssen, eher ein Zeichen von Langeweile ist.

Oder von Ablenkung.

Shoppen für die Seele.

Belohnung für den Frust, den ich unter der Woche geschoben habe.

Das kenne ich übrigens auch.

Aber ich weiß auch, dass ich hinterher merke:

Das alles war's gar nicht.

Ich hab da was verwechselt.

Es war die Seele, die Hunger hat, nicht der Bauch.

Und meine Seele braucht ganz was anderes als offene Geschäfte am Sonntag:

Meine Seele braucht Liebe, Gespräche, paar Streicheleinheiten, Zeit zum Durchlüften.

Sie braucht Gottes Wort und Segen – Input; Zurüstung und Ausrüstung für die neue Woche.

Meine Seele will den Alltag draußen vorlassen.

 

Der Sonntag hat ein Gütesiegel.

„… und siehe, es war sehr gut.“

Jeder Sonntag verspricht uns neu:

Du darfst jetzt mal aufhören, zu schaffen,
darfst zufrieden sein und zur Ruhe kommen,
auch wenn bei dir nicht alles sehr gut ist und die Arbeit noch nicht fertig ist.

Du kannst es dir leisten, jetzt mal etwas für dich zu tun.

Lieber unfertige Arbeit als ein fertiger, kaputter Mensch!

 

Der Sonntag hat ein Gütesiegel.

Wir alle haben einen Tag geschenkt bekommen, der uns daran erinnern will, dass es viel Gutes und viel Güte in unserem Leben gibt, die wir nicht kaufen können.

Und das Größte: „Gott segnete den siebenten Tag.“

Von keinem anderen Tag wird das gesagt.

Auf dem Ruhetag liegt Gottes Segen.

Und dieser Segen will ausgewickelt werden wie ein Geschenk.

Für den gestressten Vater steckt der Segen vielleicht im ausgiebigen Frühstück mit der Familie.

Für einen anderen im Gang nach draußen oder im Hören von Musik; irgendetwas, was einem den Staub von der Seele pustet.

Für uns ist es der Gottesdienst: die Hinwendung zu Gott, von dem ich so viel Zuwendung erfahre.

Und ich brauche auch diese Stille am Sonntagmorgen ohne den üblichen Lärm der Autos.

In der Stille steckt ein Hauch vom Schöpfungsmorgen.

 

Ich will nicht, dass der Sonntag im Kaufhaus endet oder im Stau mit kaputten Füßen und schmerzendem Rücken wie jeder andere Tag auch.

Für mich ist das eher eine Drohung als ein Versprechen.

Wenn Sie einmal erlebt haben, wie ein Sonntag ist, wo wirklich rund um die Uhr geöffnet ist, wie da der Lärm und der Gestank der ganzen Woche ohne Pause einfach weitergeht, dann wissen Sie:

Ohne Sonntage gibt's nur noch Werktage.

 

Am Ende sagt Jesus: „So ist der Menschensohn ein Herr auch über den Sabbat.“

Damit wird deutlich, der Sonntag erschöpft sich nicht darin, einfach nicht zu arbeiten.

Freude am Sonntag, die Heiligung des Feiertages ist viel mehr als einfaches Nichtstun.

 

Es ist kostbare Zeit, die Gott uns schenkt.

Es ist wertvolle Zeit, denn wenn ich zur Ruhe komme, habe ich auch Zeit für wichtige Gedanken.

habe ich Zeit, über mein Leben nachzudenken;
und kann die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Das klingt wirklich anstrengend, weil es leichter scheint, den Problemen davonzulaufen.

Aber aus eigener Erfahrung weiß ich:
Erst wenn ich am Sonntag bewusst Gott in mein Leben lasse, mein Leben vor ihm ausbreite;
erst dann lösen sich meine Probleme dauerhaft;
erst dann wird mir richtig bewusst, was für ein großartiges Leben mir geschenkt ist.

Kurz: erst mit Gott bekommt mein Leben Sinn und auch Glück und Zufriedenheit.

 

Der Sonntag wird erst mit Gott perfekt.

Der Sonntag ist mehr als nur ein Arbeitsverbot.

Sonntags geht es um das Leben.

Die ersten Christen haben deshalb den Sabbat auf den Sonntag verlegt, weil Jesus an einem Sonntag von den Toten auferstanden ist.

Sonntag ist Auferstehungstag – Sonntag ist der Tag des Lebens!

Der Sonntag gibt uns einen Vorgeschmack auf Gottes Ewigkeit.

Amen.

 

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.