07.03.2021 - In der Mitte der Fastenzeit - Predigt zu Eph. 5, 1-9 am Sonntag Okuli von Pfarrer Rudi Koller

Lesung Eph. 5, 1-9:

1 So folgt nun Gottes Beispiel als die geliebten Kinder

2 und lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer, Gott zu einem lieblichen Geruch.

3 Von Unzucht aber und jeder Art Unreinheit oder Habsucht soll bei euch nicht einmal die Rede sein, wie es sich für die Heiligen gehört.

4 Auch schandbare und närrische oder lose Reden stehen euch nicht an, sondern vielmehr Danksagung.

5 Denn das sollt ihr wissen, dass kein Unzüchtiger oder Unreiner oder Habsüchtiger – das sind Götzendiener – ein Erbteil hat im Reich Christi und Gottes.

6 Lasst euch von niemandem verführen mit leeren Worten; denn um dieser Dinge willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Ungehorsams.

7 Darum seid nicht ihre Mitgenossen.

8 Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Lebt als Kinder des Lichts;

9 die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.

Predigt:

Liebe Gemeinde, das Nachdenken über Gott in Jesus Christus ist mit den Lehrentscheidungen der 7 ökumenischen Konzilien in den ersten Jahrhunderten der Christenheit nicht stehen geblieben. Und auch kirchliche Verkündigung der frei- und frohmachenden Botschaft von Jesus Christus darf dabei nicht stehen bleiben, wenn sie denn den Menschen von heute noch etwas zu sagen haben will. Deshalb muss auch ich zu Beginn meiner Predigt Klarstellungen zum heutigen Predigttext machen:

Das fängt damit an, dass der Kreuzestod Jesu ein Opfer genannt wird, an dem Gott Gefallen hat! Das ist nicht nur ein höchst fragwürdiger Gedanke, nein, das ist ein theologisch unmöglicher Gedanke! Ein Gedanke, der nicht mehr in kirchliche Verkündigung, sondern ersatzlos gestrichen gehört.

Es geht weiter mit dieser Fülle von Ermahnungen, die schließlich mit einer Gerichtsdrohung verknüpft werden – und das alles im Namen des Apostel Paulus!?

Liebe Gemeinde, wenn „Paulus“ draufsteht, dann sollte auch Paulus drinnen sein! Das ist aber beim Epheserbrief nicht der Fall! Auch in der theologischen Forschung wird zurecht bestritten, dass der Epheserbrief wirklich vom Apostel stammt.

Und auch in meinen Augen stammt er höchstwahrscheinlich von einem unbekannten Paulusschüler, der sein Schreiben bewusst unter dem Namen des Apostels verbreitete, einfach, um ihm mehr Gewicht zu verleihen! Dieses Verfahren war ja in der Antike durchaus üblich.

Unter den Christen der kleinasiatischen Stadt Ephesus hatte der Name des Paulus zudem einen ausgezeichneten Ruf! Mehrere Jahre hatte der Apostel persönlich in dieser Stadt zugebracht. Wegen seines missionarischen Eifers musste er so manche Anfeindungen ertragen.

Ephesus war in der Antike ja nicht irgendeine Stadt! Ihre günstige Lage an der Mittelmeerküste hatte sie zu einer der bedeutendsten Metropolen Kleinasiens werden lassen. Hier stand der Tempel der Jagdgöttin Artemis, der aufgrund seiner Pracht zu den sieben Weltwundern gezählt wurde. Nirgends sonst blühte der Handel mit Andachtsgegenständen so wie in Ephesus.

In der Person des Paulus hatten die Händler nicht zu Unrecht eine Gefahr für ihr Geschäft gewittert. Sie setzten alles daran, ihn mundtot zu machen.

Dass ihnen das nicht gelang, hatte das Ansehen des Apostels innerhalb der christlichen Gemeinde noch zusätzlich gesteigert. Paulus galt bei den Christen von Ephesus als eine Autorität – ein Umstand, den sich sein Schüler bei der Abfassung des sogenannten Epheserbriefes zunutze machte.

Ermahnungen nehmen in diesem einen breiten Raum ein. Sie machen etwa die Hälfte des gesamten Schreibens aus. In unserem Textabschnitt sind es vor allem drei Übel, vor denen der Verfasser warnt: sexuelle Ausschweifung, Unreinheit jeglicher Art - wozu auch eine lose Redeweise gehört - und: Habgier!

Dass er ausgerechnet diese drei Laster anprangert, hat seinen Grund. Als große Hafenstadt war Ephesus bekannt für seine Bordelle und seine lockeren, besser gesagt: zügellosen Umgangsformen, die sich bis ins Sprachliche hinein ausgewirkt hatten. Und kein Wunder, dass auch Habgier im reichen Ephesus verbreitet war.

Unser Verfasser mahnt nun seine Mitchristen, diese Laster zu meiden und sich künftig allein am Vorbild Jesu Christi zu orientieren. „Ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Lebt als Kinder des Lichts.“

Damit ist die Norm vorgegeben. Und wie ernst es unserem Verfasser damit ist, wird durch die beigefügte Gerichtsdrohung unterstrichen. Mit anderen Worten: Wer die Mahnungen ignoriert und in die alten Laster zurückfällt, zieht Gottes Zorn auf sich und verspielt sein Seelenheil.

Spätestens hier sind wir wieder bei einer Drohung gelandet, die heutige Verkündigung ersatzlos zu streichen hat – will sie denn noch Verkündigung des Evangeliums von Jesus Christus sein!

Ob unser Verfasser wohl Erfolg hatte mit seinem Predigtschreiben? Ob die Christengemeinde von Ephesus sich wohl an die Vorgaben gehalten hat?

So kann man fragen. Und darf zugleich Zweifel anbringen! Denn im letzten Buch der Bibel, der Offenbarung des Johannes, wird unverhohlen Kritik an ihrer laxen Lebensführung geübt. Es ist ihnen wohl doch nicht gelungen, die Finsternis völlig abzustreifen. Was aber auch nicht wirklich verwunderlich ist. Denn jemand, der sich zum christlichen Glauben bekehrt und sich einer Gemeinde anschließt, wird dadurch nicht automatisch ein besserer, gar untadeliger Mensch.

Der französische Schriftsteller Georges Bernanos (1888-1948) hat es in seinem Roman „Tagebuch eines Landpfarrers“ in drastischen Worten so formuliert: „Eine Pfarrei ist zwangsläufig dreckig. Eine Christenheit ist noch viel dreckiger. Wartet nur ab bis zum Jüngsten Gericht – das gibt ein Reinemachen!“

Man kann es sicher auch moderater ausdrücken, aber in der Sache liegt Georges Bernanos wohl nicht ganz falsch. Eine im moralischen Sinne heilige Christengemeinde hat es nie gegeben. Da, wo man solche Versuche unternommen hat, sind sie alle kläglich gescheitert und mündeten nur in Glaubenstyrannei.

In jüngster Zeit wird Kirche – egal welcher Konfession - von der Aufdeckung zahlreicher Missbrauchsfälle erschüttert. Einem jeden drängt sich der Eindruck auf, dass gerade dort, wo der moralische Anspruch extrem hoch ist, immer auch die Versuchung zum Machtmissbrauch, zur Oberflächlichkeit und zur Heuchelei lauert. Der bekannte Vorwurf gegen die Kirche, sie würde allzu oft Wasser predigen und Wein trinken, kommt ja nicht von ungefähr.

Ich gehe davon aus, dass unser Verfasser ebenfalls kein Träumer war, sondern die Realitäten durchaus im Blick hatte. Wir können verstehen, dass er aus eben diesem Grund versucht hat, die Epheser durch die Androhung des Gerichts zu disziplinieren. Wie gesagt: ein problematischer Versuch, dem offenkundig ja auch kein wirklicher Erfolg beschieden war.

Und noch ein Zweites: Wenn im Epheserbrief der Tod Christi „als Gabe und Opfer“ für die Gläubigen gedacht wird – noch dazu in Verbindung mit der Behauptung, dass Gott dem Sterben seines Sohnes gerne zugesehen hat - dann bleibt unser Verfasser ganz offensichtlich archaischen Opfertraditionen verhaftet, die wir heutzutage – Gott sei Dank! – hinter uns gelassen haben!

Nach dem Gesagten soll unserem Verfasser jetzt aber auch Ehre zuteilwerden! Denn seinem Schreiben

lassen sich auch viele wertvolle Impulse entnehmen. Der für mich zentrale lautet: Christen sind Menschen, die im Licht leben!

Sie leben im Licht, weil sie geliebt werden, geliebt von Gott! Und weil sie das glauben, als feste Gewissheit und in gewisser Zuversicht! Im Licht erkennen sie einander als Brüder und Schwestern, als Kinder Gottes!

So verstehe ich den Verfasser des Epheserbriefs: Wir leben im Licht der Liebe Gottes, und diese Liebe befreit, richtet auf, stärkt und tröstet und weckt immer wieder und immer mehr Lust und Freude am Leben.

Jesus von Nazareth hat diese heilende Liebe in herausragender Weise verkörpert. Seine Augen, seine Hände, seine Worte haben Menschen heil gemacht! Davon erzählen die Evangelien auf fast jeder Seite. Und sein Beispiel reicht ja weit bis in unsere Gegenwart hinein - wann immer wir seine Worte lesen und uns von diesem Geist Jesu Christi inspirieren lassen, ihn „in unser Herz blasen lassen“.

Ja, Jesu Geist kann und soll uns mit seiner Liebe anstecken!

Und er soll uns vor falschen Bestrebungen und Zielen bewahren!

Sexualität ist eigentlich eine gute, wunderschöne Gabe Gottes. Aber wie jede andere Gabe kann auch sie missbraucht werden und wirkt dann zerstörerisch.

Entsprechendes gilt von der Sprache. Sie kann Brücken bauen, aber eben auch abbrechen, immer dort, wo sie leichtfertig und gedankenlos benutzt wird.

Und auch Geld und Besitz sind ja nicht an sich etwas Negatives! Gefährlich ist die Unersättlichkeit, die Gier nach immer mehr.

Jemand hat das Geld einmal mit Salzwasser verglichen: Je mehr man davon trinkt, desto durstiger wird man!

Von einer gegenteiligen Erfahrung berichtet der Theologe und Publizist Fulbert Steffensky, der 13 Jahre seines Lebens in einem strengen katholischen Kloster zugebracht hat. Ihm zufolge war es besonders die dortige Kargheit, die ihm aus dieser Zeit positiv in Erinnerung geblieben ist! Niemals zuvor oder danach habe er so intensiv Farben gesehen oder Musik gehört wie damals! Und er zitiert den Filmregisseur Pasolini, der gesagt hat: „Überflüssige Dinge machen das Leben überflüssig.“

Wie wahr!

Damit wird Armut und Kargheit nicht glorifiziert. Aber wir werden einmal mehr daran erinnert, dass weniger manchmal mehr sein kann!

Letztlich geht es doch um Konzentration auf das Wesentliche. Sich nicht verlieren in Oberflächlichkeiten, in der Jagd nach immer mehr Geld und Gut. Geiz ist geil? Welch eine unverschämte Lüge! Geld=Glück=ein sorgenfreies Leben? Was für eine Illusion!

Unser Verfasser weist da einen anderen Weg, der viel verheißungsvoller ist: Sich an Jesus Christus orientieren, an dem, was er gesagt und getan hat! Lieben, wie er geliebt hat!

Wir befinden uns am Sonntag Okuli in der Mitte der Fastenzeit. Im Internet fand ich dazu einen originellen Beitrag: Nicht das Übliche fasten, also nicht Schokolade oder Fernsehen, sondern: Egoismus! Sieben Wochen sich bemühen, mal weniger ichbezogen zu leben.

Ich stelle mir vor, was da alles passieren kann bei so viel Achtsamkeit?

Womöglich würde das gar Schule machen!?

Das freilich wäre dann ganz im Sinne unseres Herrn Jesus Christus und der ganzen Heiligen Schrift, auch unseres Verfassers des Epheserbriefs: „Lebt als Kinder des Lichts!“ Darauf habe auch ich nur noch ein von Herzen gesprochenes „Amen!“